Innendrehen
Das Innendrehen ermöglicht die Drehbearbeitung von Bohrungen, die konzentrisch zur Werkstücklängsachse liegen. Hierbei kann mit einem Drehwerkzeug, das entsprechend kollisionsfrei in die Bohrung verfahren werden kann, plan- und längsgedreht werden. Das setzt voraus, dass das Werkzeug für die jeweilige Bohrungstiefe entsprechend langauskragend gestaltet sein muss, was wiederum ungünstig für die Stabilität des Werkzeuges ist. Dafür gibt es grundsätzlich drei verschiedene Werkzeugausführungen:
Die Bohrstange stellt eine langauskragende, zylindrische Werkzeugaufnahme dar, die bis zu einem Längen-Durchmesser-Verhältnis von ca. 3xD ( zB.: l=180mm d=60mm) ohne besondere Maßnahmen für die Innendrehbearbeitung eingesetzt werden kann. Der Grund sind im Prozess auftretende Querkräfte, die eine Auslenkung des Werkzeuges zur Folge haben und so zu Schwingungen beim Drehen führen. Bis zu diesem Längen-Durchmesser-Verhältnis sorgt die Stabilität des Werkzeuges, eine entsprechend steife Maschine vorausgesetzt, für gute Zerspanungsbedingungen. Darüberhinaus (bis ca. 14xD) müssen Dämpfungselemente in die Bohrstange eingebaut oder sogar hartmetallverstärkte Bohrstangen verwendet werden, um eine prozesssichere Zerspanung zu ermöglichen. Die Auslenkung des Werkzeuges ist hierbei nach wie vor existent, allerdings werden die Schwingungsneigung und das Resonanzverhalten des Werkzeuges soweit beeinflusst, dass die maßgebliche Erregung durch die Spanlaminierungsfrequenz entsprechend gedämpft wird. Dies wird mit genau berechneten Massen und deren Form im Werkzeug erreicht. Die norwegische Firma Teeness hat sich auf die Fertigung solcher Werkzeuge spezialisiert und vertreibt über die Firma Sandvik die sogenannten „Silent Tools®“, die es, neben Sonderlösungen auf Kundenwunsch, auch in einem breiten Produktspektrum als Katalogwerkzeuge gibt.
Zu beachten ist auch die Einspannlänge der Bohrstange in der Werkzeugaufnahme. Diese sollte 3,5xD in der Regel nicht unterschreiten. Bei Werkzeugsystemen mit Plananlagen (HSK/Capto) sollte dieser Durchmesser mindestens das 2,5fache des Bohrstangendurchmessers aufweisen und über eine entsprechend ausreichende Anzugskraft in axialer Richtung verfügen.
- NC-gesteuerte Bohrstange mit verstellbarer Schneide
Wenn sehr tiefe Bohrungen mit Konturen gedreht werden sollen und das Längen-Durchmesser-Verhältnis der Bohrstange 14xD übersteigt, können NC-gesteuerte Bohrstangen zum Einsatz kommen. Eine Schneide wird an einem Werkzeugkopf radial verfahren. Dies wird mit einem Schiebeelement erreicht, das mit einer angetriebenen Welle durch die Bohrstange entsprechend radial zur Bohrstange ein- und ausgefahren werden kann. Am Werkzeugkopf befinden sich zudem Führungsleisten, die das Werkzeug in der bereits eingebrachten Bohrung führen und somit Querkräfte kompensieren. Nachteilig wirkt sich dabei der hohe Schmiermittelbedarf während der Bearbeitung aus. Ebenfalls kann die Späneabfuhr ein ernstzunehmendes Problem darstellen. Wenn diese nur in einer Richtung aus der Bohrung abtransportiert werden können, muss die Bohrstange, neben Kühlschmiermittelleitung und Schneidenverstellantrieb, auch einen separaten Kanal zum Späne-/Kühlschmiermittelabtransport aufweisen. Dabei muss technologisch sichergestellt sein, dass keine zu langen Wirrspäne diese Leitung verstopfen können.
Da die Führungsbohrung vergrößert wird und in der gedrehten Kontur keine Abstützung mehr durch die Führungsleisten gegeben ist, kann diese Bearbeitung nur von innen nach außen, also ziehend erfolgen. Bei größeren Spanungsquerschnitten, wie beim Schruppen beispielsweise, muss die Kontur auch in Segmente entlang der Werkstückachse aufgeteilt werden, um die Führungsleisten immer in Kontakt mit der Führungsbohrung zu halten und damit die Querkräfte, die zur Auslenkung der Bohrstange führen würden, aufzunehmen.
Eine Bohrpinole ist im Prinzip wie eine Bohrstange gestaltet, nur dass hierbei die Auskraglänge hydraulisch oder mechanisch verstellt werden kann und so eine Anpassung auf die jeweilige Bohrungstiefe möglich ist. An Ständerbohrmaschinen kommen Bohrpinolen seit Beginn des Maschinenbaus zum Einsatz und können auch in Dreh-Fräsbearbeitungszentren eingebaut werden. Günstigerweise werden Bohrpinolen dann bei größeren Werkstückbohrungen ab 150 mm Durchmesser eingesetzt, da die Bohrpinole in der Regel auch einen größeren Durchmesser besitzt als handelsübliche Bohrstangen. Ausgestattet mit einer Werkzeugaufnahme wie z.B. HSK oder Capto, lassen sich standardisierte Werkzeughalter automatisiert einwechseln. Auch die Auskraglänge der Bohrpinole lässt sich mit einer entsprechenden Maschinenkonfiguration automatisiert verfahren. Um die notwendige Stabilität während der Bearbeitung sicherzustellen, muss die Bohrpinole, wie auch bei der Bohrstange, radial über eine Länge von mindestens 2,5xD geklemmt werden.
Durch den größeren Durchmesser lassen sich auch Kühlschmiermittelkanäle einbringen, die für eine KSS-Hochdruckbearbeitung von schwer zerspanbaren Materialien Vorteile bringt. Mittels separater Mehrkolbenhochdruckpumpe mit ausreichendem Volumenstrom, sind Drücke über 350 bar möglich. Damit kann beispielsweise die Spanformung beeinflusst werden, was der Bildung von Wirrspänen entgegenwirkt. Besonders in der Flugzeugindustrie werden leichte und sehr zähe Materialien, wie z.B. Titanlegierungen, zerspant, die aufgrund hoher Reibung an der Werkzeugschneide für einen sehr starken abrasiven und wärmebedingten Verschleiß sorgen. Durch den KSS-Hochdruck lässt sich eine höhere Kühl- und Schmierwirkung in der Wärmeeinflußzone der Schneide erzielen, was wiederum höhere Schnittgeschwindigkeiten und damit eine höhere Produktivität ermöglichen kann.
Der Druckabfall kann über die Länge der Pinole und je nach Gestaltung der Kühlschmiermittelkanäle im Werkzeug bis zu 80 bar betragen. Daher ist es notwendig, bei der Auslegung der Prozessparameter für jedes Werkzeug möglichst nah am Auslass die Drücke zu prüfen und diese als Erfahrungswerte für die jeweilige Werkzeugoperation zu berücksichtigen.
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